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#AUS ERFAHRUNG GUT

Theo Regnier

Eine Frage: Wie finden Sie sich eigentlich? Toll? Nicht so toll? Durchschnittlich? Mal besser, mal schlechter? Am Apollo-Tempel von Delphi fordert eine Inschrift auf: "Erkenne Dich selbst!". Geht das, sich selbst erkennen? Die alten Philosophen hatten gut was hinkritzeln, und wir müssen uns damit rumschlagen. Auch noch als Imperativ! Wie soll ich denn erkennen, was ich bin?

Wenn wir dem britischen Psychoanalytiker Ronald D.Laing („Phänomenologie der Erfahrung“, edition suhrkamp) Glauben schenken wollen – und dafür gibt es gute Gründe – entsteht das Bild, das wir von uns selbst im Kopf haben, in Wirklichkeit in den Köpfen der Menschen, die um uns herum sind. Durch sie erfahren wir eine Beurteilung, die wir weitestgehend übernehmen. Wir erkennen am Verhalten der anderen, welche Akzeptanz oder Ablehnung uns entgegengebracht wird. Das ist die Richtschnur für unseren Platz im sozialen Ranking. Dürfen wir uns nach Beförderungen, Auszeichnungen, Umarmungen, Schulterklopfen ganz oben einordnen oder verweisen uns demonstrativ heruntergezogene Mundwinkel und abschätzige Blicke ins untere Drittel?

Zu vage? Okay, probieren wir es mit einem Vergleich mit Personen, die mehr oder weniger bekannt sind. Fangen wir doch gleich ganz oben an.

Den A-Promi Olaf Scholz kennen alle und da ist es kein Wunder, dass er ordentlich einstecken muss. Eine Bewertung, beruhend auf seiner öffentlichen Beurteilung, wäre allenfalls eine Erklärung dafür, warum er nur 1,70 Meter misst. Normalerweise würde sich einer, der dauernd auf den Deckel kriegt, aus der Öffentlichkeit zurückziehen, wäre da nicht der Faktor Resilienz. Der führt dazu, dass an Olaf Anfeindungen abprallen. Seine Selbsteinschätzung lautet, ich bin ein erfolgreicher Bundeskanzler, und zwar ohne jede Einschränkung. Ganz nebenbei bemerkt, er hält sich auch für klüger als… äh.. na ja, der Rest. Wer klüger ist, hat recht. Nicht gelegentlich, sondern immer.   

Der B-Promi Boris Rhein, seines Zeichens hessischer Ministerpräsident, kann sein Ranking gar nicht messen, weil er laut SPIEGEL satten 60 Prozent der Bevölkerung völlig unbekannt ist. Wo soll so einer mit sich hin?

Ein C-Promi wie der Sänger Mickie Krause erlebt in seinem Ballermann-Habitat eine unverstellte, allenfalls durch Alkohol gefilterte Reaktion, die ihm sagt, für was er sich halten darf - für einen großen, beliebten Künstler.




Kompliziert wird es bei Leuten, die Til/Till heißen, sagen wir Til Schweiger oder Till Lindemann. Hier wurde bereits mit der Wahl des Vornamens eine Anarcho-Vita vorherbestimmt (vgl. Till Eulenspiegel). Unbestritten werden die Genannten von vielen für das gehalten, was ihnen am selbigen vorbeigeht. Stört die Herren das? Nicht im Geringsten. Bei ihnen muss man, abweichend von Ronald D. Laing, eine Erfahrung zugrunde legen, die gänzlich ohne Außenwahrnehmung auskommt. Wer so in sich ruht, bewegt sich in einem geschlossenen System. Darin ist man unangreifbar. Das beste Beispiel für diese These ist Donald Trump, der sagte, er könne einen x-beliebigen Menschen auf der Fifth Avenue erschießen, ohne dass dies Konsequenzen für ihn hätte. Vermutlich tut er es nur deshalb nicht, weil sein entschlossenes Eintreten für eine bedingungslose Waffenfreiheit dazu führen könnte, dass der andere seinen Revolver zieht und zurückschießt.

Das wäre eine Intererfahrung, die Ronald D. Laing, wäre er noch unter den Lebenden, sicher beschäftigen würde. Der Inschrift am ApolloTempel wäre es wurscht.

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