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Theo Regnier

#RABENVIEH



In Schwabing wohnend, haben wir hinter unserem Wohnhaus einen kleinen Park mit dichtem Baumbestand. Der schöne Blick ins Grüne wird angereichert durch viele Singvögel und eine kleine Population von Eichhörnchen, deren wilde Jagd über die Äste immer wieder ein kleines Schauspiel darstellt. Ab und zu klettert eines von ihnen auf unsere Dachterrasse und versteckt Walnüsse in den Pflanzen- und Blumenkübeln. Einmal versuchte ein Eichhörnchen, ein Nest am seitlichen Gestänge der Markise zu bauen. Als ich von zwei Tennissocken, die ich zum Trocknen draußen hingelegt hatte, nur noch eine fand, sah ich, dass die andere zum Nestbau verwendet worden war. Die possierlichen Tierchen hatten auch keine Scheu, auf der Terrasse herumzuturnen, wenn wir im Wohnzimmer waren. Sie beäugten uns mit ihren schwarzen Kugelaugen durch die Terrassenverglasung. Erst wenn wir die Schiebetür öffneten, verzogen sie sich sicherheitshalber in eine Ecke.

Irgendwann im Frühjahr nahm ich, wie so oft, den Pfad zwischen Fallmerayerstraße und Belgradstraße und blieb nach wenigen Metern wie angewurzelt stehen. Auf der kleinen steinernen Einfassung des Nachbarhauses lag ein totes junges Eichhörnchen, vor ihm saß ein Rabenvogel und war damit beschäftigt, die Innereien des Eichhörnchens herauszupicken, besonders die des Kopfes. Als ich näher kam, hüpfte der Rabe ein paar Meter weg und wartete darauf, dass der Störenfried verschwinden würde.

Etwa zur gleichen Zeit berichtete der SPIEGEL in einem Artikel über die Aggressivität von Kolkraben. Was über die Angriffe dieser Vögel auf neugeborene Lämmer und Kälbchen beschrieben wurde, möchte ich an dieser Stelle gar nicht wiederholen, es dreht sich einem der Magen um. Ganz nebenbei, der Kolkrabe steht unter Naturschutz.

Mir ist bewusst, dass die vermenschlichende Beurteilung in der Sache falsch ist, aber auf wessen Seite man steht, ist doch klar. Das wirklich Schlimme an "unserem Fall" besteht darin, dass seit diesem Tag kein einziges Eichhörnchen mehr zu sehen ist. Offensichtlich haben sie die Gefahr erkannt und sind geflüchtet. Das schmerzt. An die Nicht-Analphabeten unter den drolligen Nagern appelliere ich: "Liebe Eichhörnchen, wir vermissen Euch! Kommt bitte zurück, aber hütet Euch vor dem Rabenvieh. Auf unserer Terrasse könnt Ihr Euch jederzeit gut verstecken."



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