top of page

SCHWEINEHUND, INNERER

  • Theo Regnier
  • 10. Apr.
  • 2 Min. Lesezeit

 

Ich hatte ausgiebig gefrühstückt, die Tageszeitung aufgeschlagen neben mir. Mit einem Blick in den Sportteil erfuhr ich, dass Zverev sein Auftaktmatch in Monte Carlo verloren hatte. Nicht schon wieder! So ein Riesentalent! Trainiert er zu wenig? Trainiert er falsch? Sollte er vielleicht mal den Trainer wechseln? Leider entpuppte sich die Meldung auch als Trigger für mein schlechtes Gewissen. Training, Alter, sagt dir das was? Was ist mit deinen eigenen sportlichen Ambitionen? Hast du die in den letzten Wochen nicht ein bisschen arg vernachlässigt? Doch, hatte ich. Ich stellte mir die Frage, ob ich, was sportliche Aktivitäten betraf, zu faul oder zu alt geworden war. Die ehrliche Antwort lautete: beides.  Damit war ich an einem kritischen Punkt meiner Überlegungen angelangt. Wollte ich die frisch gewonnene Erkenntnis in neue Energie umsetzen oder gleichmütig hinnehmen? Ich entschied mich für Letzteres, nahm den Weg vom Frühstückstisch bis zur Wohnzimmercouch und machte es mir in meiner Lieblingsecke bequem. Nach einer kurzen Phase der Selbstbeschimpfung ging ich dazu über, meinen inneren Schweinehund für seine loyale Haltung seinem Herrchen gegenüber zu loben. Braves Schweini, gutes Schweini, du hast dir ein Leckerli verdient. Ich stand auf und entkorkte ein Fläschchen Crémant d’Alsace brut, der allerdings zu so früher Stunde, es war kurz nach eins, dem Magen einiges abverlangt, wie ich nach dem ersten Gläschen feststellte. Also bereitete ich mir ein leichtes Rührei vor, drei Eier, Speckwürfel, Rosenpaprika, schwarzer Pfeffer, über das Ganze frischer Schnittlauch, dazu Toast. Ich schwöre, Crémant und Rührei garantieren einen harmonischen Einstieg in einen neuen Tag.

Aber bei aller Harmonie, die von einem zweiten Frühstück ausgeht, backstage grummelte es weiter. Nichts ist leichter entzündlich als Selbstvorwürfe. Du kannst dich doch nicht so hängen lassen, Alter, Muskeln stärkst du nicht auf der Couch, Crémant bringt den Kreislauf nur kurzfristig in Schwung, die Wirkung von Rühreiern auf nachhaltige Fitness ist weitgehend unerforscht. Das kann doch nicht so schwer sein, in die Joggingschuhe zu steigen und eine Runde durch den Park zu drehen? Dreiviertel Stündchen würde ja schon reichen, vielleicht auch ein halbes. Man muss es ja nicht gleich übertreiben. Jetzt denk mal nach! Zum Nachdenken suchte ich noch einmal meine Lieblingsecke auf, wo ich mir kurz vor dem Einschlafen fest vornahm, die Joggingschuhe anzuziehen, sobald ich wieder wach wäre.

 
 
 

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page